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AutorenbildChristoph Gretzmacher

Afrika - Kontinent der Konfrontationen

Es ist ein bisschen wie bei einem Geschwindigkeits- oder Langstreckenlauf. Es gibt diejenigen, die einen guten Start hingelegt haben, andere die zurückbleiben und diejenigen, die das Tempo vorgeben. Fairplay gibt es eigentlich nicht - jeder will das Rennen machen.


Europäer, Amerikaner, Chinesen, Japaner, Russen, Türken, Emiraten, Katarer usw., alle laufen sie um die besten Projekte immer dreister werden die Angebote. Schlüsselwörter und Phrasen wie „win-win Situationen“ schaffen, sich auf Augenhöhe begegnen oder „sich gegenseitigen Respekt zollen“ sind die neuen Standardfloskeln der Verkäufer, Berater und Lobbyisten. Dieses neue wording ist nichts anderes als ein schönreden der alten Praktiken in neuen Kleidern. Die Weltpresse goutiert den neuen Stil als etwas Reales in der Hoffnung es könnte erst gemeint sein. Dieses erneute Interesse an Afrika ist nichts Neues, es ist nur der Start eines neuen Zyklus in anderen Farben. Anstatt der Farben der ehemaligen Kolonialherren gesellen sich jetzt eben viele neuen Gesichter mit an den Tisch. Konfrontationen sind vorprogrammiert, nicht nur unter den Buhlenden um die interessantesten Projekte, sondern auch innerafrikanisch um den einzuschlagenden Weg zwischen Kapitalismus, Demokratie, Sozialismus und allen möglichen Zwischenvarianten.


Lange zuvor gab es die berühmten Frankreich-Afrika-Gipfel, sie waren die Pioniere dieser großen Treffen, von denen das berühmteste das von La Baule im Jahr 1990 war und das den Beginn der Ära der Demokratisierung in mehreren französischsprachigen Ländern Afrikas markierte. Die Zeit, in der die afrikanischen Staatsoberhäupter dort waren, um Unterricht in Demokratie oder guter Regierungsführung zu erhalten. Die Zeit, in der Regierungen geputscht und unliebsame aus dem Weg geräumt wurden. Immerhin 17 der in La Boule vertretenen 22 frankophonen Länder haben zwar seither ihre Verfassungen geändert, konsequent war die Demokratisierung jedoch nicht. In Ländern wie Gabun, Djibuti und Kamerun fälschten die alten Diktatoren die Wahlen, um mit neuer Legitimation weiterhin oben zu bleiben - Paris versorgte auch nach dem Gipfel von La Baule die autoritären Regime weiter mit Geld, Waffen und Militärs. Aktuellstes Beispiel, die Absage des französischen Präsidenten Macron am 14.02.2021 an einem Treffen mit Idriss Deby teilzunehmen. Freilich wird Corona vorgeschoben, doch weiß man längst, dass auch im Tschad nach Debys 6 Amtszeit die junge Generation gegen eine siebente aufbegehrt und weder der Franzose noch dieses Treffen ein gern gesehenes ist. Es brodelt bereits.


Bezüglich der zahlreichen Afrikagipfel ist das heute etwas anders. Versprachen die Japaner am Japan-Afrika Gipfel Investitionen von 30Mrd $ waren es dann beim China-Afrika Gipfel schon 60Mrd $ und da sind die Gipfel Russland-Afrika und wie sie noch alle heißen gar nicht berücksichtigt. Nur Europa liegt im Dornröschenschlaf. Dabei wäre es gut beraten, sich gut beraten zu lassen.


Außenpolitisch waren die letzten Wochen für Europa eher katastrophal und da war noch nicht einmal die Rede von Afrika. Wo gehobelt wird fallen Späne, so wie es derzeit ausschaut hobeln alle anderen und streifen auch fest den „Hobel“ ein, während die Späne in Form von Migration und Kosten… auf Europa fallen. Dass das nicht gut ausgehen kann ist vorhersehbar, bzw. sollten das doch die diversen Artificial intelligence Computer der NATO und anderen Think-tanks längst aus allen Lautsprechern posaunen. Aber wie es scheint ist die Schmerzgrenze noch nicht erreicht um Gehör zu finden.


Dabei hatte sich die EU für 2020 doch so viel vorgenommen.

Neue Partnerschaft mit Afrika, Gipfel mit der Afrikanischen Union, ein Nachfolger für das Cotonou-Abkommen, … Doch dann kam alles anders, nicht nur wegen Corona.

Im März 2020 stellte Josep Borrell die „neue Afrikastrategie“ vor. "Die EU ist Afrikas wichtigster Partner in allen möglichen Themen: Handel, Investitionen, Entwicklung, Zusammenarbeit, Sicherheit. Wir wollen, dass es so bleibt, wir wollen es ausbauen und effizienter machen", versprach Borrel vor Journalisten. So harmonisch sollte es eigentlich weitergehen. Außerdem sollte noch ein Nachfolger für das Cotonou-Abkommen ausgehandelt werden, das die Wirtschaftsbeziehungen der EU mit über 70 früheren Kolonien in Afrika, Asien und dem Pazifikraum regelt, aber der Frust über das aktuelle Verhältnis zu Europa ist groß. "Die Beziehungen zwischen Europa und Afrika waren niemals fair. Trotz Begriffen wie 'internationaler Zusammenarbeit' ist es ein ungleiches Verhältnis, bei dem Europa die Rolle des Mentors und Afrika die des Schülers einnimmt", sagt die nigerianische Forscherin Lynda Iroulo vom GIGA-Institut für Afrika-Studien.


Viele afrikanische Politiker dürften das ähnlich sehen, ebenso Vertreter der Zivilgesellschaft. Laut einer aktuellen VENRO-Umfrage unter 221 Mitarbeitern afrikanischer NGO´s sagt die Hälfte, dass die Zusammenarbeit mit Europa nicht gut oder überhaupt nicht funktioniert. Einer der Streitpunkte: die Wirtschaftsbeziehungen. Für Afrika ist die EU mit 31 Prozent der Exporte und 29 Prozent der Importe wichtigster Handelspartner, jedoch importieren die europäischen Staaten aus Afrika überwiegend Rohstoffe, exportieren aber gleichzeitig hochwertige Güter wie Industrieprodukte - so wird Afrikas Wirtschaft kaum aus der Abhängigkeitsspirale herauskommen. Diese einseitige Struktur kann nicht helfen, die Probleme des Kontinents zu beseitigen.


Zweiter Streitpunkt ist das Thema Migration. Die EU drängt afrikanische Länder deren Grenzen dicht zu machen. Für viele Afrikaner ist es fast schon unmöglich geworden auf legalem Weg nach Europa zu kommen - außer für Fachkräfte, die Europa dringend braucht. Das ärgert viele afrikanische Regierungen, denn gut ausbildete Rückkehrer sind wichtig für die Entwicklung der lokalen Wirtschaft, viele Familien leben von Geldtransfers der Angehörigen im Ausland. Aus afrikanischer Perspektive bedeute Migration erst einmal Mobilität - und nicht die Annahme, dass eine "natürliche Selektion" auf der Basis von wirtschaftlichen oder politischen Gründen erfolgen sollte. Wenn Europa wirklich behauptet, ein offenes Ohr für das zu haben, was Afrika will, dann sollte nicht nur darüber geredet werden wie die Grenzen zu schützen sind, sondern auch zum Beispiel darüber, wie Menschen aus Afrika auf legalen Wegen nach Europa kommen können, so Geert Laporte vom Brüsseler ECDPM. Corona hat also einige wichtige und richtungsweisende Treffen und Entscheidungen aufgeschoben. Wird nun also 2022 das neue Afrikajahr? Die Beziehungen zwischen Europa und Afrika brauchen kein „Weiterwurschteln", sondern einen völligen Neustart – und das eher heute als morgen.



Neue Partner - Neues Glück

Die Zeiten änderten sich, eine neue Generation von Staatschefs verstünde die Interessen ihrer Länder - würde man meinen, oder sich wünschen…


Die sogenannten neuen Partner Afrikas haben ihre Tentakel bereits bestens verankert. Zwar ist die EU der größte Handelspartner Afrikas, Russland hat sich inzwischen auch wieder ins Spiel gebracht, doch China investiert groß überall auf dem Kontinent. Das beste Beispiel für diese Entwicklung ist der 200-Millionen-Dollar teure Hauptsitz der AU in Addis Abeba: Das Bauprojekt wurde gesponsert vom chinesischen Staat.


Die Tatsache, dass Ursula von der Leyen schon zum zweiten Mal in so kurzer Zeit nach Äthiopien zur Afrikanischen Union reist, zeige, dass die EU nervös werde, sagt Geert Laporte von der Brüsseler Denkfabrik „European Centre for Development Policy Management" (ECDPM). Am "Gerangel um Afrika" seien viele Weltmächte beteiligt. Afrika hat im Moment eine große Auswahl, wenn es um Partner geht, und Europa sollte sich wirklich überlegen, wo es einen Mehrwert bringen kann. Aber nicht im Schneckentempo, denn diese an z.B. China „verlorenen“ Märkte sind dann für Jahrzehnte geschlossen, vielleicht sogar dauerhaft verloren. Chinesen investieren nicht in Afrika um irgendwann wieder zu gehen. Die Investments sind zu groß und auf zig Jahrzehnte vorausschauen geplant und investiert - Sie sind gekommen um zu bleiben. Anders als z.B. die Franzosen früher, sie waren gekommen um mit den Reichtümern wieder zu gehen. Das sind ganz entscheidende Unterschiede und sind langfristig betrachtet und für die nächsten Generationen in Afrika wahrlich ein ernstzunehmendes Problem. Zum Beispiel das chinesische Megaprojekt „One Belt, One Road- oder New Silk Road“ ist der Wunsch, die chinesische Macht durch eine Verbindung zwischen mehreren Kontinenten einschließlich des östlichen Teils Afrikas zu verankern. In einem globalen Wandel ist das natürlich auch wichtig und unausweichlich, jedoch geht es dabei vor allem um das WIE. China wird vorgeworfen, die afrikanischen Länder zu einer umfassenden Verschuldung für Infrastrukturen zu drängen, von denen einige nicht von hoher Qualität und auch nicht von großem Nutzen sind, geschweige denn die Summen die dafür bezahlt werden stehen oft in keiner Relation.


Viele Industrien in Afrika sind in den letzten 20 Jahren kaputtgemacht worden durch externe Investoren, die im Wesentlichen ihre Produkte untergebracht haben. Man müsse nun verstärkt aufpassen, dass Investments nicht nur Leute auf den Plan rufen, die wieder nur vorwiegend an ihre Renditen denken. Konkret bedeutet das, dass Investments und wirtschaftliche Interessen eine größere Rolle spielen müssen.


Während in den westlichen Industrieländern öffentlich-private Partnerschaften (Public-private-Partnerships, PPP) zunehmend in die Kritik geraten, sind sie in Afrika auf dem Vormarsch. 2018 zählte die Weltbank 460 PPPs auf dem Kontinent. Nach den Vorreitern Südafrika, Nigeria und Kenia werden vor allem in Ghana, Côte d’Ivoire und Senegal immer mehr von diesen angeblich so effizienten Kooperationen abgeschlossen. Tatsächlich sind sie aber für wachsende Haushaltsdefizite verantwortlich, während sie den privaten Unternehmen exorbitante Vorteile verschaffen. Theoretisch dienen PPPs dazu, dem Staat mehr finanziellen Spielraum zu verschaffen. Die Ressourcen, Risiken, Verantwortlichkeiten und Vorteile sollen zwischen der öffentlichen Hand und den Unternehmen aufgeteilt werden. In der Regel handelt es sich um Verträge über den Bau, die Instandhaltung und den Betrieb öffentlicher Einrichtungen (Straßen, Krankenhäuser, Flughäfen, Kraftwerke, Eisenbahnen und dergleichen) mit einer Laufzeit von 20 bis 30 Jahren. Der Staat als Nutzer der Einrichtungen zahlt ab dem Zeitpunkt der Abnahme für die gesamte Konzessionsdauer einen Mietzins. Nach deren Ablauf geht das Objekt in den Besitz des Staats. Anstatt die Länder direkt beim Auf- und Ausbau öffentlicher Dienstleistungen zu unterstützen oder Steuern von den dort bereits tätigen multinationalen Unternehmen einzutreiben, will man mit staatlichen Mitteln ein ‚günstigeres‘ Umfeld für private Investitionen schaffen. Und sie tun das, was sie am besten können: öffentliche Aufgaben in langfristige Einnahmequellen für ihre Geldgeber verwandeln. Alle Sektoren, die hohe Gewinnquoten versprechen, sind betroffen: Energie, Mobilfunk, Breitbandkabel, Straßen, Häfen, Eisenbahnen oder Flughäfen. Sogar im Sozialwesen empfiehlt die IFC den Einsatz von PPPs, etwa beim Bau oder der Sanierung von Krankenhäusern oder der Herstellung und dem Vertrieb von Medikamenten. Das entpuppt sich bei genauerem Hinsehen wahrlich als ein Problem.


Mit Blick auf die PPPs fordern Experten jetzt vorerst einmal rasch alles zu stoppen und eine weltweite Untersuchung darüber anzustellen, ob diese Partnerschaften nicht nur profitabel sind, sondern auch zur nachhaltigen Entwicklung und zum Wohl künftiger Generationen beitragen.

Ist das nicht so, werden wir den Scherbenhaufen in ein paar Jahren serviert bekommen, denn die Probleme von heute sind keine lokalen Probleme mehr, sie werden Global und betreffen uns letztlich alle.


Das Bild Afrikas

ist immer noch ein düsteres und bedarf keiner zusätzlichen apokalyptischen Vision die Korruption, verschiedenste Mafias, Drogen- und Devisenschieber, „weiße Elefanten“ und Verschwendungssüchte am Werke sieht. Solche Visionen schütten nur, ohne es zu wollen, Wasser auf die Mühlen des in den letzten Jahren in den Medien sehr beliebten, allgegenwärtigen Afropessimismus.


Für die neue Generation in der afrikanischen Politik, die – trotz einiger Missgeschicke – das demokratische Abenteuer wagt, ist Gott nicht mehr weiß und schon gar nicht mehr Franzose. Immer stärker vernimmt man an verschiedenen Orten von Seiten der Eliten die Aufforderung, mehr „auf die eigenen Kräfte zu vertrauen“. Die neuen Eliten treffen sich in einer intellektuellen Strömung, die seit mehreren Jahren die Bedingungen der wiedererlangten Unabhängigkeit debattiert. Eine Positionsänderung, einer „noch“ stille Revolution“ die womöglich schon demnächst in die Geschichte eingehen wird? Sechs Jahrzehnte nach der Unabhängigkeitsbewegung, die 16 subsaharischen Staaten vom Kolonialismus befreite, warnen afrikanische Intellektuelle die frankofonen Staatschefs, dass ihr Festhalten an der Macht zur Norm wird und sie sich zu „Totengräbern der Völker“ machen. Es gibt viele Beispiele Weltweit, nicht nur in Afrika, dass neue Zeiten anbrechen. Die Afrikanische Diaspora wird zunehmend „rechter“ in Ihrer Kommunikation, das hat aber auch ganz viel mit dem neuen gewonnenem Selbstbewusstsein Afrikas zu tun, und leider auch ganz viel von falsch verstandenem Patriotismus der sich dann in Form von Nationalismus wiedergibt. Europa wird hier wirklich aufpassen müssen den Anschluss nicht zu verlieren, wir sind dabei bereits mitten drinnen und ein rasches Handeln wäre wirklich dringend notwendig. Die EU kann jedoch in dieser Situation nicht alles auf Corona schieben und warten bis wir wieder zurück sind in der neuen alten Zeit. Die Fragestellung bleibt wie immer die gleiche, was wollen wir heute säen das wir morgen ernten? Vor allem langfristig betrachtet, zwischen Afrika und Europa und unter Einbezug aller anderen Akteure. Wir sollten größtes Interesse daran haben Afrika als einen starken einheitlichen Partner zu haben und nicht zig Einzel-Länder.


Die Idee eines aufstrebenden afrikanischen Kontinents ist bereits mehrere Jahrzehnte alt. „The Emergence of Africa“ lautete der Titel eines Berichts, den Richard Nixon 1957 Präsident Eisenhower vorlegte. Für Nixon lautete die zentrale Frage damals: Welchen Weg wird Afrika angesichts der bevorstehenden Unabhängigkeit vieler ehemaliger Kolonien einschlagen? Nixon befürchtete offensichtlich, die sowjetische „Propaganda“ und die prekäre Situation der Schwarzen in den USA könnten das postkoloniale Afrika in die Arme des Kommunismus treiben. Zwei Jahrzehnte später machte sich die Finanzwelt den schwammigen Begriffs emergence zu eigen, um damit Entwicklungsländer mit wirtschaftlichem Aufstiegspotenzial zu bezeichnen. Der bis dahin gängige Ausdruck „Dritte Welt“ klang für potenzielle Investoren nicht wirklich attraktiv, wurde er doch stets mit Bildern einer von Armut geprägten Region assoziiert. Daher bevorzugte man Anfang der 1980er Jahre den neuen und zweifellos dynamischer klingenden Begriff ­emerging markets, (aufstrebende Märkte).


Von 1980 bis 2000 wurde Afrika vom Internationalen Währungsfonds (IWF) und von der Weltbank in den Schwitzkasten der Strukturanpassungsprogramme genommen; damit war den einzelnen Ländern der Aufstieg in die Gruppe der emerging ­markets verwehrt. Es entstand der Mythos, der Kontinent sei im Zuge der rasanten Globalisierung abgehängt worden. Es ist nicht ohne Ironie, dass dieselben Akteure von einem Tag auf den anderen dann ein Loblied auf das aufstrebende Afrika (­Africa rising) sangen. Dabei hatte sich an der wirtschaftlichen Spezialisierung des Kontinents nichts geändert.


Nachdem der Economist im Jahr 2000 einen „Kontinent ohne Hoffnung“ beschrieben hatte, titelte die Zeitschrift – dem Zeitgeist folgend – elf Jahre später: „The hopeful continent: Africa ­rising“ (Ein Kontinent voller Hoffnung: das aufstrebende Afrika). Das Beratungsunternehmen McKinsey Global Institute stieß in dasselbe Horn und sprach 2010 von „Lions on the ­move“ (Löwen in Bewegung). Wie ist es zu dieser veränderten Sicht gekommen? Nach zwei Jahrzehnten erzwungener Sparpolitik fand die Wirtschaft Afrikas Ende der 2000er Jahre wieder auf Wachstumskurs zurück. Ermöglicht wurde dies durch die höhere politische Stabilität sowie stark angestiegene Preise für afrikanische Exportgüter und vor allem Rohstoffe. Zu dem neuen Image trug auch der rapide Ausbau der kommerziellen und finanziellen Beziehungen zwischen den afrikanischen Staaten und China bei. Plötzlich erschien der ganze Kontinent als Reservoir „ungenutzter“ Ressourcen und als riesiger, vielversprechender Markt für ausländische Unternehmen, die ihre Waren, Dienstleistungen und Infrastrukturprojekte an eine junge, stark wachsende Bevölkerung verkaufen wollten.


Wir müssen heute unseren Fokus auf ein vollständig in die Globalisierung integriertes Afrika richten“, hieß es 2013 in einem Bericht des französischen Senats unter dem Titel „Afrika ist unsere Zukunft“. Die frankofonen Staaten Afrikas vernahmen die schmeichelhafte Botschaft und versuchten sich möglichst attraktiv darzustellen. 13 der 14 Staaten, die den CFA-Franc nutzen, ergriffen die Gelegenheit und legten ein spezifisches Konjunkturprogramm auf. Am Beispiel Senegal lässt sich zeigen, welche Sackgasse die Idee der „aufstrebenden Märkte“ für viele Länder bedeutet. 2014 wurde der „Plan für einen aufstrebenden Senegal“ (Plan Sénégal Émergent, PSE) mit einem Zeithorizont bis 2035 aufgelegt. Dass der Plan auf neoliberale Vorstellungen beruht, zeigt sich schon an dem erklärten Ziel, das Land bis 2020 unter die Top 50 der von der Weltbank geführten „Doing Business“-Rangliste zu befördern – wobei die Indices dieser Rangliste zumindest fragwürdig sind.


Also wie wäre es wenn Europa einen echten CHANGE in den Beziehungen mit Afrika suchen würde? Der Ausverkauf der Einzelstaaten Afrikas wäre auch das Ende Europas wie wir es kennen. Der Corona bedingte Aufschub eines gelähmten Europas trägt hier aktuell nicht zur Besserung bei. Im Gegenteil, es scheinen sich die Konfrontationen auszuweiten und Europa gibt hier definitiv nicht mehr das Tempo vor.



Auch die Afrikanische Union hat sich einiges Vorgenommen.


Die Afrikanische Union (AU) ist der wichtigste Zusammenschluss aller 55 afrikanischen Staaten. Das Ziel der Organisation ist es, Frieden, Sicherheit und Stabilität in Afrika zu fördern und zu erhalten. Außerdem soll der regionale Integrationsprozess beschleunigt und der Lebensstandard aller Afrikaner angehoben werden. Zudem fördert die AU gute Regierungsführung und setzt sich für eine verstärkte Teilnahme des afrikanischen Kontinents am Welthandel ein. Zudem haben die Mitgliedsstaaten der AU ein weitreichendes Mandat zur Krisenintervention erteilt, um gegebenenfalls auch mit militärischen Mitteln – und gegen den Willen der betroffenen Regierung – Kriegsverbrechen, Völkermorde und schwere Verbrechen gegen die Menschlichkeit verhindern und beenden zu können. Mit der Agenda 2063 haben die AU-Mitgliedsstaaten 2013 eine gemeinsame Vision für die Entwicklung des Kontinents in den nächsten 50 Jahren verabschiedet. Ziel ist es, ein integriertes, prosperierendes und friedliches Afrika zu schaffen, das von der eigenen Bevölkerung vorangetrieben wird und eine dynamische Kraft auf der globalen Ebene darstellt.


Bis 2020 sollten die Waffen in Afrika schweigen.

Als die Afrikanische Union ihre Kampagne "Silencing the Guns in Africa by 2020" startete, war ich optimistisch: Ich hatte das Gefühl, dass sich die Führung des Kontinents zum ersten Mal in seiner Geschichte auf wirklich wichtiges konzentriert, doch erst kürzlich hat die AU die Frist für die Befriedung des Kontinents um ein weiteres Jahrzehnt verlängert und bewies damit erneut ihre Unfähigkeit, ein konfliktfreies Afrika zu schaffen.


Am 7. Februar 2021 wurde Moussa Faki Mahamat als Kommissionspräsident der Afrikanischen Union wiedergewählt. 51 der 55 AU-Mitgliedstaaten stimmten für den tschadischen Ex-Regierungschef. Faki beabsichtigt seine Bemühungen auf Prioritäten zu konzentrieren, die im Einklang mit der Agenda 2063 stehen. Zusammen mit der künftigen Kommission will er sich dafür einzusetzen, das panafrikanistisches Projekt erheblich voranzutreiben.


Faki: „Internationale Zusammenarbeit und Solidarität sind unersetzlich. Unsere Welt ist vielfältig und eins. Afrika und Asien, Afrika und Europa, Afrika und Amerika, wie können wir nicht stolz sein, dass unser Kontinent heute im Zentrum dieser immensen geostrategischen Einheiten steht? Letztendlich werden wir diesen Status jedoch nur dann in vollem Umfang genießen, wenn wir uns ohne Komplexität oder Zögern in unserer eigenen Identität auf der Grundlage der völligen Gleichheit mit anderen behaupten. In diesem Bereich fruchtbarer Beziehungen zu unseren externen Partnern müssen die AUC und die regionalen Wirtschaftsgemeinschaften sowie eine klare Arbeitsteilung sicherstellen, dass die vier Grundsätze, die unsere Umschichtung auf internationaler Ebene regeln, eingehalten werden. Zu diesen Grundsätzen gehören: Afrika, das Afrikanern gehört, afrikanische Lösungen für afrikanische Probleme, die von und zwischen Afrikanern gelöst werden, der Kontinent, der mit einer Stimme spricht, und Afrika ist in erster Linie auf seine eigenen Fähigkeiten angewiesen. Afrika steht zu denen, die den Unilateralismus bekämpfen und sich nachdrücklich für einen Multilateralismus aus Respekt, Gleichheit und gegenseitigem Nutzen einsetzen. Ich beabsichtige, unsere strategischen Partnerschaften mit den entsprechenden Organen der Union zu überdenken, um sie an diesen Grundsätzen auszurichten. Es hat für Afrika keinen strategischen Vorteil, eines dieser vier einfachen, aber entscheidenden Prinzipien zu missachten. Letztendlich besteht das brennende Ziel darin, dass wir am Ende der nächsten Amtszeit die afrikanische Hymne auf einem Festival singen können des kontinentalen Friedens, in einem freudigen Fest des Wohlbefindens und der süßen Stille der Waffen in ganz Afrika.“


Das klingt nach einem klaren Plan. Ich denke diesen transformativen Prozess sollte Europa unterstützen und sogar fördern, da nur ein starkes Afrika ein Partner in vielen Bereichen sein kann. Wir müssen Vertrauen aufbauen und wir müssen Vertrauen konsequent aufbauen. Wir müssen neue Beziehungen eingehen und diese neuen Beziehungen ermöglichen es uns, einander besser zu verstehen.


Systeme können nicht transformieren. Menschen können !




16.02.2021

Christoph Gretzmacher

Geboren in Wien, aufgewachsen in Afrika. Seit über 30 Jahren ist Christoph Gretzmacher in westafrikanischen Ländern aktiv. Als langjähriger Afrika-Spezialist ist Gretzmacher nicht nur ein Bindeglied und Vermittler zwischen den Kulturen, sondern auch ein wesentlicher Faktor für Know-how-Transfer, Marketing und PR. Er gründete seine eigene Beratungsagentur „smartconsulting“, ist Partner des österreichischen PR-Unternehmens „rocket media communications“ und Initiator sowie Präsident des Vereins „worktank africa-europe“.


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