… ist das sicherste Fundament für ein Afrika von Morgen.
Ein Gastbeitrag von Christoph Gretzmacher, Redner beim AFRICA DAY 2020 – Panel INTERCULTURAL INSIGHTS Manche Europäer_innen meinen fälschlich, in Afrika herrsche Passivität, Handlungsunfähigkeit und Resignation. Es würde nicht genügend Eigeninitiative ergriffen. Sie sagen das aus der Ferne, ohne die afrikanischen Länder wirklich zu kennen. Deshalb behandeln sie Afrika so, als könnten sie es belehren.
Afrika braucht vor allem afrikanische Lösungen, die eigenverantwortlich vor Ort durch die jeweiligen Staaten umgesetzt werden können. Dieser Weg setzt jedoch eine Abkehr des alten „Weges“ voraus. Ein prosperierendes und friedliches Afrika hilft nicht nur dem Kontinent selbst, sondern auch allen Partner_innen, die hieran nachhaltig mitwirken. Afrika muss sich aus neokolonialer und ökonomischer Abhängigkeit befreien! Der Aufbau einer stabilen Identität ist zu fördern.
Statt langfristige Lösungen anzudenken, setzt die Politik in Europa nach wie vor eher darauf, rasche Lösungen zu finden. Politische Maßnahmen, die schnelle Lösungen versprechen, sind oft nicht nachhaltig. In den Fokus rücken müssen die zentralen Ursachen. Von wirtschaftliche Interessen bis hin zu Migrationsfragen. Ein Verständnis über die historische, politische sowie ökonomische Mitverantwortung Europas ist zentral. Ob bei der Ausgestaltung von Handelsverträgen, dem Verhalten Transnationaler Konzerne, bei Klima-, Agrar- oder Rohstoffpolitik bis hin zu Waffenexporten. Es geht um eine neue Wirtschaftspolitik auf Augenhöhe, es geht um Bildung, Investitionen und die Schaffung von Arbeitsplätzen – für eine gesunde afrikanische-europäische Partnerschaft.
Europa spielt mit seinen knapp 450 Mio. Einwohnern und unterschiedlichsten politischen Haltungen und Herangehensweisen nur eine geringe Rolle in geostrategischen Planungen zwischen China, Russland Amerika, Indien, Afrika, naher und mittlerer Osten. Derzeit machen die Europäer_innen gemeinsam etwa acht Prozent der Weltbevölkerung aus, innerhalb einer Generation werden es absehbar nur noch vier Prozent sein. Wenn dann noch alle durcheinander reden, wird es auf unsere Stimme nicht mehr ankommen, einfach, weil sie gar nicht durchdringen kann.
Will Europa unter diesen Bedingungen und im Blick auf die langfristig sich entwickelnden Trends ein eigenes afrikapolitisches Gewicht behalten, bzw neu entfalten, bedarf es der dringlichen Weiterentwicklung. Der Aufbau bzw die Erweiterung der europäischen Afrikastrategie wäre dringendst notwendig. Nehmen wir doch die Agenda 2030 der Vereinten Nationen und vereinbaren einen starken Beitrag Europas zu ihrer Verwirklichung. Das wäre, nebenbei, das wirksamste, was zur Fluchtursachenbekämpfung getan werden könnte.
Der Kommission käme hier die Rolle der Koordination und Überwachung einer unter dem Strich gerechten Arbeitsteilung und Finanzierung zu. Und Europa würde endlich wieder liefern. Für die Beziehungen Europa – Afrika wäre das ein fruchtbarer Nährboden. In diesem Zusammenhang würden sich neue, langfristige und nachhaltige Beziehungen aufbauen lassen. Ganz anders als die Strategie Chinas, der eines französisch, engl., belgisch und portugiesischen Neokolonialismus. Neue Situationen erfordern neue Herangehensweisen!
Fakt ist: In direkter Nachbarschaft zu Europa liegt ein Chancenkontinent – nicht nur für die afrikanische Bevölkerung selbst, sondern auch für all jene, die sich in Afrika engagieren. Für die Wirtschaft eröffnet sich ein noch nicht erschlossener Produktions- und Absatzmarkt, ein Kontinent mit dem weltweit größten Potenzial an Arbeitskräften sowie ein sich kontinuierlich besser werdendes Geschäftsklima. Fakt ist auch: Europäische und internationale Banken, Fonds etc. mischen in Afrika gewaltig mit. Die Länder werden quasi mit ausländischer Unterstützung geplündert. Kapital auf französischen, englischen Banken oder in irgendwelchen Steuerparadiesen gebunkert.
Es bedarf einer neuen Herangehensweise an dieses komplexe Thema Ähnlich wie in der Medizin funktioniert das nur unter einer gesamtheitlichen Betrachtung und unter der Einbeziehung ALLER – da ja auch ALLES mit ALLEM verbunden ist! Eines sollte man bereits jetzt schon zweifelsfrei anerkennen: Afrika ist selbstbewusster geworden und wird sich seiner Rolle in der Welt langsam aber sicher bewusst. Filme wie Black Panther triggern bereits diese Wende.
Die Afrikanische Union wird hier noch einen gewaltigen Schritt nach vorne tun müssen. Ein erster entsteht soeben mit der African Continental Free Trade Area, kurz AfCFTA. Mit dieser verfolgt die Afrikanische Union (AU) das Ziel, eine pan-afrikanische Freihandelszone für Waren und Dienstleistungen zu schaffen. Es soll ein gemeinsamer afrikanischer Markt für 1,3 Milliarden Menschen mit einer gebündelten Wirtschaftsleistung von mehr als 2,3 Billionen US-Dollar entstehen. Für die AU ist die pan-afrikanische Freihandelszone das Leuchtturmprojekt zur Umsetzung ihrer Agenda 2063, in welcher sie die Vision eines „integrierten, aufstrebenden und friedlichen Afrikas“ formuliert.
Durch ein gemeinsames Vorgehen der afrikanischen Staaten bei der wirtschaftlichen Vernetzung des Kontinents erhofft sich die AU zudem, langfristig ihre Position bei Verhandlungen auf globaler Ebene zu stärken. Letztlich ist die wirtschaftliche Integration der afrikanischen Staaten auch ein klares politisches Signal gegen Protektionismus und nationale Alleingänge sowie ein Beitrag zur Friedenssicherung. Sollte das schief gehen und einige Länder Alleingänge planen, so wäre das der Beginn des endgültigen Ausverkaufs Afrikas.
Zum Glück gibt es jedoch andere Bestrebungen am Kontinent. Es sind genau diese Visionen, „Macher_innen“ und „Umsetzer_innen“ die es jetzt braucht. Der Ausbau der Eisenbahn kreuz und quer über den gesamten Kontinent wie es die TARC (Trans Africa Railway Corporation) plant, die mit einem 24.000 Kilometern langen High-Speed-Eisenbahnnetz die Verkehrsverbindungen auf dem afrikanischen Kontinent stärken will und damit ganz neue Möglichkeiten schafft – und das 30 Jahre vor der Agenda 2063. Mit TARC wird ein völlig neuer und beispielloser Ansatz vorgeschlagen, der eine zusätzliche Dynamik für die Partnerschaft mit Europa (EU), dem natürlichen Nachbarn Afrikas, schafft. Neue Technologien werden implementiert, um Innovationen zu unterstützen und die Umweltverschmutzung zu minimieren, indem effiziente und effektive ECO-freundliche verfügbare Technologien eingesetzt werden. In den Phasen 2 und 3 werden auch Verbindungen nach Asien (arabische Staaten und China-Belt) im Osten und nach Europa im Westen hergestellt.
Weitere spannende und richtungsweisende Projekte werden folgen Ein kurzer Ausflug um Wesentliches nicht zu vergessen: Im Jetzt wird unsere Welt von morgen erschaffen. Viele Dinge, die uns in unserem alltäglichen Leben begleiten waren zuerst einmal eine Idee – egal wie groß oder klein, von der Büroklammer bis zum Spaceshuttle – es waren Visionen die sich schlussendlich materialisiert haben. So ist es mit allem. Zuerst ist alles nur ein Gedanke. Was säen wir heute, was wir morgen ernten wollen? In diesem Kontext glaube ich, dass die EU die Pflicht hat und in der Lage ist, gemeinsame Antworten auf die heutigen Herausforderungen zwischen Afrika und Europa zu formulieren. Das Erkennen von Chancen und Grenzen bildet einen fundamentalen Hintergrund zu einem reflektierten Umgang zwischen Afrika und Europa hinsichtlich der gemeinsamen Geschichte und der gemeinsamen Zukunft. Verantwortung kann so zu einer Brücke im Dialog zwischen Individuen, aber auch zwischen Kollektiven (wirtschaftlichen Unternehmen, Staaten etc.) beider Kontinente werden. Diese Brücke wäre ein tragfähiges Fundament für die vielfaltigen Arten der Begegnung zwischen diesen beiden Welten. “If you can imagine it, you can achieve it; if you can dream it, you can become it.” – William Arthur Ward
Lösungen aber auch wirklich umsetzen, bedeutet, Systeme und Gewohnheiten zu ändern. Sind wir dazu bereit? Ist die Wirtschaft, Politik, etc dazu bereit? Wenn ja, was sind die Auswirkungen in naher und ferner Zukunft. Nochmals meine Frage, was säen wir heute, was wir morgen ernten wollen?
Es geht um den Aufbau neuer Strukturen, ehrlichen, authentischen, nachhaltigen, … vor allem vertrauensvollen, die eine Basis für ein zukünftiges neues Miteinander sind. Österreich ist ein neutrales Land. In vielen Ländern leben wir noch heute von unserem guten Namen. In den arabischen Ländern z. B. aus der Kreisky Ära. Außenpolitisch wurde seitdem nichts mehr aufgebaut, jedoch ist Österreich – „Nemsa“ – noch immer ein Begriff und genießt sehr positive Assoziationen. Auch in anderen afrikanischen Ländern ist das der Fall. Unsere Position würde sich hervorragend dazu eignen, eine “leadership-Rolle” zu übernehmen bzw. aufzubauen.
Abgesehen davon sind wir in vielen Bereichen absolute Weltspitze. Tourismus, alternative Energien, Wasseraufbereitung, Recycling und Müllverwertung, Maschinenbau, Metallindustrie, Know-how Transfers, etc., um nur einige Beispiele zu nennen.
Ich sehe das als einzigartige Chance um Österreich auf diesem Chancen-Kontinent zu repositionieren und zu positionieren – rebranding Austria in Africa, via leadership und Taten statt Worte. Eine Politik der Verantwortung und des vorausschauenden Handelns.
Ohne Kommunikation entsteht Interpretation. Wir glauben zu wissen! Diese Interpretation verschreckt nicht nur Investoren, sondern hat auch ganz generell ein falsches Realitätsbild von Afrika jahrzehntelang gezeichnet. Ein erster Schritt könnte sein, sich gegenseitig vorzustellen. Es wäre ratsam dies zu tun, wenn man ein neues gemeinsames Fundament aufbauen möchte. Für unsere Wirtschaft bedeutet das: WISSEN ist VORSPRUNG! Unsere „Communication Campaign“ zielt darauf ab, Afrika anhand seiner Gründerszene und den „The Leaders For What’s Next” vorzustellen. Wir wollen den täglichen negativen Schlagzeilen wie Migration, Arbeits-und Perspektivenlosigkeit, Zerfall der Währungen, … trotzen und die Aufbruchsstimmung bei den Start-ups, den „Architects of the future“, nutzen.
Eine starke Gründer_innen- und Start-up-Szene schafft Vertrauen und weckt Interesse – nicht nur bei der enorm schnell wachsenden jungen Bevölkerungsgruppe, bei der es besonders wichtig ist Chancen und Beispiele von Erfolg und Möglichkeiten hervorzuheben, sondern darüber hinaus auch bei möglichen Investor_innen, die den Kontinent anfangen mit anderen Augen zu betrachten, sowie für Tourist_innen und Reisenden aus aller Welt. Start-ups und Jungunternehmer sind Impulsgeber für die gesamte Wirtschaft. Die Gründer_innen stellen auch eine Frischzellenkur für die etablierte Industrie dar. Diese neuen Entrepreneur_innen mischen die Art, zu arbeiten und Neues zu entwickeln, auf. Sie beschäftigen sich oft mit den Zukunftsthemen und helfen den großen Strukturen bei den Innovationen.
Ein starkes und selbstbewusstes Heute ist das sicherste Fundament für ein Afrika von Morgen. Angesichts der Globalisierung und des härter werdenden Standort-Wettbewerbs sollten wir die Sichtbarkeit, Relevanz und Wiedererkennbarkeit Afrikas nachhaltig stärken. Je positiver das Außenbild ist, desto attraktiver ist Afrika für Investor_innen, Tourist_innen, Student_innen, Unternehmen und andere Nationen – und das wiederum kann nur in unseren Sinne sein! Afrikas Wirtschaft als ein „we have potential“ & future sells! Österreich, Land der Brückenbauer. Start up today! – A Bridge To The Future. Gemeinsam sind wir stark!
Christoph Gretzmacher
Geboren in Wien, aufgewachsen in Afrika. Seit über 30 Jahren ist Christoph Gretzmacher in westafrikanischen Ländern aktiv. Als langjähriger Afrika-Spezialist ist Gretzmacher nicht nur ein Bindeglied und Vermittler zwischen den Kulturen, sondern auch ein wesentlicher Faktor für Know-how-Transfer, Marketing und PR. Er gründete seine eigene Beratungsagentur „smartconsulting“, ist Partner des österreichischen PR-Unternehmens „rocket media communications“ und Initiator sowie Präsident des Vereins „worktank africa-europe“.
Titelbild: Ian Panelo von Pexels
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